Wer nix wird, wird Wirt! Oder eher: Hot(el)ier? Von Zwischen- und Endwirten, Müttern, die zu Töchter werden und anderen komischen Vergleichen.

Meine Mutter war jahrzehntelang Kellnerin. In Gaststätten, Bierzelten und Restaurants. Gefühlt bin ich zu einem Drittel meiner Kindheit in so etwas aufgewachsen. Ich bin damit aufgewachsen, dass Helmut Schmidt ein netter Kerl war, der meine Mutter mit „Na, mein Mädchen“ angesprochen hat, wie zickig die Hellwig-Schwestern sind, dass Nico der Tierpfleger heulend mit einem Pumababy im Restaurant stand, dass von der Mutter nicht angenommen wurde (von meiner aber!) und das Bubi vom Tenniscenter eine lebende Weihnachtsgans geschenkt bekommen hat. Die wurde auf seinen Balkon einquartiert, weil er sie nicht schlachten wollte. Bubi war übrigens der Beste von allen, denn er hat meiner Mutter vernünftig kochen beigebracht. Davon haben wir noch jahrzehntelang profitiert.
Aber um diese Wirte geht es hier gar nicht. Sondern um das, was biologisch gesehen Wirte sind. Denn um besser zu verstehen, wie das mit der Hundekacke und den toten Kälbern ist, geht es hier dann erst einmal um das „Wirtshaus zum fröhlichen Kläffer“.
Ich zitiere mal Wikipedia, weil besser bekomme ich das eh´ nicht hin: „Als Wirt bezeichnet man in der Biologie einen Organismus, der einen als Gast bezeichneten artfremden Organismus mit Ressourcen versorgt. (…) Je nach Art der Wirt-Gast-Beziehung kann der Wirt dem Gast Nahrung liefern, Schutz, Aufenthaltsort und die Möglichkeit zur Vermehrung oder Verbreitung gewähren“
In der Reihe „Hundekacke und tote Kälber“ geht es um Neospora caninum. Das ist ein winziger, einzelliger Parasit. Dieser Parasit hat verschiedene Entwicklungsstufen. Also genau wie ein Mensch von „befruchteter Eizelle, Zellhaufen, Fötus, Baby, Kleinkind, Kind, Jugendlicher, junger Erwachsener, Erwachsener, Senior, Greis“ seine verschiedenen Entwicklungsstadien hat, hat dieser Parasit es auch.
Wenn es um Neospora caninum geht, gibt es vor allem zwei Wirte: den Zwischenwirt und den Endwirt. Dabei wird der Hund als Zwischenwirt angesehen und das Rind als Endwirt.
Der Eingang des „Wirtshauses zum fröhlichen Kläffer“ für diesen Parasiten ist immer die Schnauze. Er frisst den einfach mit. Fällt auch nicht auf, da die schützende Eihülle, die sogenannte Oozyte, absolut winzig ist, von der Größe her kleiner als der Durchmesser eines Haares. Weil das so ist, merkt der Hund auch nicht, dass er eine ganze Menge dieser Dinger mitfrisst.

Durch den Verdauungstrakt tritt Neospora caninum nun faktisch seine Abenteuerreise in diesem neuen Universum namens Hund an. Das Futter wird von Hunden ja nicht so zerkaut, eingespeichelt und damit vorverdaut wie bei uns Menschen. Deshalb ist die Magensäure von Hunden deutlich stärker als die von Menschen. Die Schutzschicht der Oozyte wird aufgelöst und damit deren Inhalt, die sogenannten Sporoblasten, in den Futterbrei entlassen, der vom Magen in den Darmtrakt gewandert ist.
Die Sporoblasten setzen dann wiederum im Darm ihren eigenen Inhalt frei, die Sporozoiten, frei. Im Endeffekt funktioniert so eine Oozyte also wie eine Medizinkapseln, die sich erst im Magen oder danach zersetzt um ihren Inhalt freizusetzen. Wenn ihr mal so eine Kapsel aufgemacht habt, werdet ihr sehen, dass dort mitunter viele kleine Kügelchen drin sind. Das ist der Wirkstoff. Der ist wiederum mit einem Trägermaterial verbunden, dass ihn bis in den Darm bringt. Dort werden alle Nährstoffe und Co aus der Nahrung herausgefiltert.
Das Wirtshaus zum fröhlichen Kläffer bietet dem Parasiten also ausreichend Schutz und auch Hilfe, damit er sich weiter entwickeln kann. Die winzigen Sporozoiten wandern durch die Darmwand und gelangen so in andere Körperteile. Der Parasit entdeckt faktisch sein neues Universum – und weil es ihm dort gut geht, vermehrt er sich. Als Einzeller teilt er sich dabei durch einschnüren.
Kennt ihr diese Mütter mit jungen Töchtern, die sich immer im Partnerlook zur Tochter anziehen? Also im Prinzip macht der Parasit das in seiner Vermehrungsform als Sporozoit ziemlich ähnlich. Nur um Lichtjahre schneller. Es gibt einen Sporozoiten, die Mutterzelle, die schnürt sich mittig ein und wird damit zu zwei Tochterzellen. Wenn die nach ein paar Stunden dann soweit wieder entwickelt sind, dass sie selbst wieder Mutterzellen sind, zack, geht das wieder von vorne los.

So ein Durchgang „Mutterzelle – Tochterzellen – Mutterzellen“ dauert 5 – 9 Stunden. Jetzt rechnet das mal hoch, wie schnell so ein Infektion mit einem Parasiten wie Neospora caninum geradezu explodiert!
Weil das in der Wissenschaft übrigens gerne etwas kompliziert ist, heißen Sporozoiten, die es sich in einer Zelle des Wirts bequem gemacht haben und sich dort schnell teilen, übrigens Tachyzoiten. Klingt ein bisschen nach Tacho. Also schnell. Wenn diesen Tachyzoiten irgendwann die Puste ausgeht und die langsamer werden, verwandeln die sich übrigens in Bradyzoiten. Das klingt wie so ein trotteliger Darsteller aus einer amerikanischen Seifenoper.
In diesen Bradyzoiten wiederum wachsen neue Oozyten heran. Diese landen wieder im Darm und werden mit dem Kot ausgeschieden. Auf die Erde geplumpst, warten sie dann auf ihr nächstes Abenteuer. Deshalb sind Hunde Zwischenwirte. Aber eben nicht nur, denn Neospora caninum ist bei Hunden auch der Auslöser für die Krankheit Neosporose. Also sind sie sowohl Zwischenwirte – und wenn sie Neosporose entwickeln, ebenso Endwirte. Genau wie Rinder übrigens. Die kacken nämlich auch Oozyten aus.
Was diese Einzeller in den Körpern so anrichten, ist Thema eines anderen Artikels dieser Reihe.